Welcome to India!
- Marc
- 5. März 2016
- 4 Min. Lesezeit

Delhi, der Weg. Am Bahnhof (Metro) angekommen war es noch stockfinster und die Kulturfaust schlug, wie schon erwähnt, voll ein. So eine Bahnhofsgegend ist auch in unseren Städten meist nicht die Schönste und das sollte in Indien selbst für indische Verhältnisse nicht anders sein. Nun galt es, den Weg zu meinem Hostel zu finden. Noch in der Metro fragte ich eine Art Militärmann, der mich mit gebrochenem Englisch und Handegesten in eine ungefähre Richtung zu verweisen schien. So zockelte ich mit meinem dicken Rucksack rüber zum Zugbahnhofsgebäude, das und dessen Gleise ich irgendwie überqueren musste, um in das richtige Viertel zu gelangen. Was ich zuvor mehrfach gelesen hatte - und mein Hostel in Delhi noch in einer extra Warnmail an seine Gäste mitteilte - ist, dass man sich unheimlich vor Betrügern, die einem sonst was erzählten, in Acht nehmen solle!
Betrüger ABC:
- Man solle doch ein günstigeres Hotel nehmen
- Das Hotel gäbe es nicht
- Das Hotel sei ausgebucht oder mittlerweile geschlossen
- Das Hotel sei überflutet/abgebrannt/ausgebombt worden...
Um überhaupt irgendwen fragen zu können, versuchte ich mich an Leute, wie Polizisten, andere Beamte oder, später dann, mein Hostel zu wenden. Ich fragte den Sicherheitsbeamten am Gepäckscanner (die es in Delhi an jedem Bahnhof, Metro und sogar manchen Sehenswürdigkeiten gibt) im Bahnhof nach weiteren wegweisenden Tipps. - Das war ein Fehler, wie sich im Nachhinein herausstellte. Wie auch immer es rückblickend und in dieser Erzählung klingen mag, es war die Hölle. Wirklich. Der angebliche Sicherheitsmann erzählte mir von Unruhen zwischen Hindus und Muslimen. Ich müsse in ein bestimmtes Touristenbüro und mich da erkundigen. In vielen Teilen der Stadt sei es nicht sicher. Er schickte mich zu einem Tuktuk. Ich fühlte mich für kurze Zeit in Sicherheit gewogen auf der Rückbank des etwas dickliches Fahrers in pinkem Polyesterpulunder, der vor lauter Plastikverarbeitung nur so vor sich hinschimmerte. Anders wurde mir zumute, als der Herr im internationalen Touristenbüro mir die Unruhen bestätigte und kurz bei Google die Artikelauflistung zeigte (sehr aufgebauscht alles, wie ich später begreifen würde). Ich bekam Angst. Angst vor Delhi. Angst vor dem Büro. Alles war hier ziemlich ranzig. Deshalb war es schwierig auszumachen, ob das Büro wirklich dubios oder einfach nur indisch war. Er kopierte meinen Reisepass, empfahl mir, die Stadt umgehend zu verlassen. Er rief Leute an, scheinbar offizielle Firmen, die mir versicherte, es gäbe keinerlei Busse und Züge aus der Stadt heraus. Auf seinen Rat hin solle ich doch ein Taxi in die nächstgrößere 300km entfernte Stadt nehmen und in diesem und jenem Hotel bleiben. Er rief mein Hostel an und reichte mir, wie bei jedem Anruf, den Hörer. Ich könne nicht dort bleiben, hieß es. Keine Mail oder Info vorab, dachte ich mir zweifelnd und verärgert. Ich war verzweifelt. Weiter verängstigt. Überfordert mit allem und fühlte mich mittlerweile gedrängt. Es ging weiter hin und her und irgendwann zeigte er mir den Taschenrechner mit umgerechnet über 500€ auf dem Display für seinen Masterplan. Da machte es klick. Das konnte nicht sein und war verhältnislos. Ich lehnte vehement ab und kontaktierte mein Hostel selbst. Plötzlich verdünnisierte er sich in einen anderen Raum. Jetzt war er für mich endgültig entlarvt. Ich packte meinen letzten Mut, riss die Kopie meines Reisepasses an mich, raufte meine Sachen zusammen und floh. Ich bezahlte meinen Tuktukfahrer, der so normal wenig verlangte, dass er eigentlich nichts gewusst haben konnte, suchte aber trotzdem nach einem neuen Fahrer. Vom nächsten Tuktukfahrer wurde ich, nachdem ich darauf bestand, seine Lizenz sehen zu wollen, kurzerhand rausgeschmissen. Also lief ich. Ich hatte nicht den blassesten Schimmer, wo in Delhi ich war, aber zumindest war die Sonne mittlerweile aufgegangen. Ich traf einen Yoga-Lehrer, der mir den Tipp gab, doch einen gratis Stadtplan im Touristenbüro nicht weit von hier zu holen. Das Schild "Govt. Tourist Office" (staatl. Touristenbüro; so hieß es an jedem Abzieherschuppen) prangerte über der Glastür. Ich schärfte meine Krallen, ging rein, zeigte mich noch als Opfer (auch halb in der Hoffnung, es sei doch ein offizielles Büro) und bat zuerst um einen Stadtplan. Was ich bekam war eine schlechte A4 s/w Kopie. Außer dieser lehnte ich alles ab und ging sofort wieder. Auf dem Weg nach draußen sprach ich ein ebenfalls verzweifeltes rumänisches Pärchen an und bot ihnen an, einfach mit mir abzuhauen. Sie waren heilfroh und auch ich fühlte mich nun besser und etwas sicherer. Gemeinsam machten wir uns auf den Weg. Unzählige weitere Male wurden wir angesprochen, bis wir (ich nach 4 Stunden) endlich mein Hostel erreichten, in dem auch sie kurz entschlossen bleiben würden.
Delhi, Overload für alle Sinne. Temperatur und Luftfeuchtigkeit sind am ganze Körper spürbar. Ab und an und je nach Gegend gesellen sich auch einige Fliegen auf den Arm. Nicht selten tuscheln Einheimische über einen oder man wird von ihnen angestarrt.
Neben Verkehrsabgasen sind die verschiedensten Düfte von Räucherstäbchen, anderem Brandgut und den Gerichten der vielen Straßenständen in einem bunten Gemisch überall in der Luft. Hinzu kommt die ein oder andere Gestanksböe von Tierexkrementen und starkem Ammoniakodeur, der sich kurzzeitig, aber hartnäckig in die nasale Schleimhaut frisst. Es ist unfassbar laut; mehrmals pro Sekunde (!) ertönen Auto- und Tuktukhupen, Fahrrad- und Rikschaklingen sowie anderes auf Gegenstände Kloppen oder Rumschreien von Verkäufern oder anderen Straßenwandlern, um auf sich aufmerksam zu machen. Hinzu kommt die verschiedenste Musik von verschiedenen Seiten, ein lautstarker Hundekampf und das übliche Menschengeplärre. -Und das Ganze 24/7. Nach Mitternacht durchaus niederfrequenter, aber nach wie vor präsent.

Delhi, Erkundung. Es gab natürlich auch die schönen Dinge, die sich allerdings weitestgehend auf's Sight Seeing beschränkten. Delhi hat zwar eine Metro, aber trotzdem ist die Stadt unglaublich riesig und alles recht weit voneinander weg, was das Ganze recht aufwändig macht. Nichtsdestotrotz habe ich ein paar Juwelen erkunden können. Ich schlenderte durch die Anlagen des Red Fort, besuchte die größte indische Moschee Jama Masjid, wuselte mich durch das Wirrwarr verschiedenster Bazare, genoss friedliche Stille im Lotustempel und passierte das India Gate. Aber seht selbst!
Alles in allem war es ein harter Start und ehrlich gesagt, bin ich froh, dirty Delhi zu verlassen. In diesem Sinne: Ab nach Rajasthan! Am 28.02. ging mein Zug in der Früh nach Jaipur. Dazu dann bald mehr.
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